Verfall von Hotelgutscheinen – und die Umsatzsteuer

Mit der umsatzsteuerlichen Behandlung von Geldern, die ein Vermittler für einen „Hotelgutschein“ treuhänderisch vereinnahmt, bei Verfall des Gutscheins hatte sich das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht zu befassen:

Verfall von Hotelgutscheinen – und die Umsatzsteuer

Durch die Vermittlung der Beherbergungsverträgen hat die Vermittlerin gegenüber den Hotelbetreibern steuerbare und steuerpflichtige sonstige Leistungen erbracht und dafür (zunächst nur) ein der Besteuerung zu unterwerfendes Entgelt in Höhe der vereinbarten Provision u.a. erhalten.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen (§ 3 Abs. 1 UStG) und sonstigen Leistungen (§ 3 Abs. 9 UStG), die ein Unternehmer (§ 2 UStG) im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Für das Vorliegen einer entgeltlichen Leistung, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar ist, sind nach der Rechtsprechung im Wesentlichen folgende, unionsrechtlich geklärte Grundsätze zu berücksichtigen:

Zwischen der Leistung und einem erhaltenen Gegenwert (Entgelt) muss ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen[1]. Dieser unmittelbare Zusammenhang muss sich aus einem zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnis ergeben, in dessen Rahmen die Leistungen ausgetauscht werden, wobei die Vergütung den Gegenwert für die Leistung bildet[2]. Dabei muss der Leistungsempfänger identifizierbar sein und einen Vorteil erhalten, der einen Kostenfaktor in seiner Tätigkeit bilden könnte und damit zu einem Verbrauch im Sinne des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt[3]. Bei einem gegenseitigen Vertrag sind die Voraussetzungen für eine entgeltliche Leistung regelmäßig erfüllt; dann besteht zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang, und es steht der Leistungsempfänger aufgrund der vertraglichen Beziehung fest. Bei Leistungen, zu deren Ausführungen sich die Vertragsparteien verpflichtet haben, liegt auch der erforderliche Leistungsverbrauch grundsätzlich vor[4]. Unerheblich für die Annahme eines Leistungsaustausches ist dabei, ob der Leistungsempfänger die bezogene Leistung tatsächlich verwendet und gegebenenfalls zu welchem Zweck er dies tut[5]. Ferner steht es einem Leistungsaustausch nicht entgegen, wenn der Unternehmer mit der Tätigkeit (auch) einen eigenen Zweck verwirklicht; die wirtschaftliche Tätigkeit wird nicht durch eine gleichzeitig im eigenen Interesse durchgeführte Betätigung verdrängt[6].

Die Höhe des Entgelts bemisst sich nach § 10 UStG. Gem. § 10 Abs. 1 S. 2 UStG ist Entgelt alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG). Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG gehört „zum Entgelt (auch), was ein anderer als der Leistungsempfänger dem Unternehmer für die Leistung gewährt“[7]. Dies setzt Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – nunmehr Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) – um, wonach zur Besteuerungsgrundlage alles zählt, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen[8]. Entscheidend für die Höhe der Bemessungsgrundlage ist somit, inwieweit der Leistende einen Vermögenswert erhält, und dass zwischen Leistung und diesem Vermögenswert ein im vorbenannten Sinne definierter unmittelbarer Zusammenhang besteht.

Nach diesen Grundsätzen hat die Vermittlerin gegenüber den Hotelbetreibern im Rahmen ihres Unternehmens (§ 2 UStG) die Vermittlungsleistungen als sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG gegen Entgelt erbracht, wobei sich die Höhe des Entgelts – zunächst – auf die Höhe der Provision u.a. beschränkte. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Finanzgerichts aus einer Auslegung der maßgeblichen Vereinbarungen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Bei der insoweit gemäß §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vorzunehmenden Ermittlung des Inhalts der maßgeblichen Vereinbarungen sind die jeweiligen Willenserklärungen der Parteien grundsätzlich so auszulegen, wie sie im konkreten Fall nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte zu verstehen waren[9].

Im Streitfall bestanden bei Abschluss eines Beherbergungsvertrages drei verschiedene Verträge. Zunächst bestand zwischen der Vermittlerin sowie den Hoteliers die Beauftragung zur Vermittlung der jeweiligen Angebote nach Maßgabe der zwischen der Vermittlerin und den Hoteliers geschlossenen Verträge, in welche gem. Ziff. 2 auch die AGB der Vermittlerin als Vertragsbestandteil mit einbezogen worden sind. Darüber hinaus bestanden vertragliche Vereinbarungen zwischen der Vermittlerin und den Gästen, wobei sich diese nach Maßgabe der insoweit einbezogenen AGB im Wesentlichen auf die dort näher beschriebenen Vermittlungs- und Abwicklungstätigkeiten der Vermittlerin, die insoweit als Botin/Vertreterin der jeweiligen Hoteliers fungierte, beschränkten. Schließlich bestanden vertragliche Abreden zwischen den Hoteliers und den Gästen (Beherbergungsverträge), welche dadurch zustande kamen, dass letztere die von den Hoteliers ausgegebenen und von der Vermittlerin als Botin/Vertreterin transportierten Angebote zu den in den Angeboten beschriebenen Konditionen und unter Berücksichtigung der AGB der Vermittlerin annahmen.

Bei Annahme eines Angebotes waren sich alle Beteiligten somit einig, dass ein Beherbergungsvertrag zwischen dem Hotelier und dem Gast zustande kam. Die aus diesem Beherbergungsvertrag resultierende Primärpflicht des Gastes – namentlich die Zahlung des Beherbergungsentgelts an den Hotelier – wurde dabei dahingehend modifiziert, dass das dem Hotelier geschuldete Entgelt unter Verzicht auf die Einrede des nicht erfüllten Vertrages (§ 320 BGB) bereits vorab zu überweisen war. Die Überweisung dieses Entgelts erfolgte gem. § 2 Abs. 2 der AGB nicht unmittelbar an den Hotelier, sondern auf das Konto der – insoweit als empfangszuständige Zahlungsmittlerin fungierenden – Vermittlerin und diente dabei im Einvernehmen aller Beteiligten der Erfüllung der Verbindlichkeit des Gastes gegenüber dem Hotelier (§ 362 BGB, zur Erfüllung bei Leistung an eine einvernehmlich bestimmte vom Gläubiger abweichende Person s. Grüneberg, in Palandt, 77. Auflage 2018, § 362 Rn. 4). Diese in § 2 Abs. 2 der den Verträgen zugrunde liegenden AGB fixierte Zahlungs- und Tilgungsabrede korrespondiert mit Ziff. 3 der Verträge zwischen der Vermittlerin und den Hoteliers, wonach der Gast das Entgelt „zu treuen Händen“ – also auf Rechnung der Hoteliers – an die Vermittlerin leistete. Es bestand somit Konsens zwischen allen Beteiligten darüber, dass dem Hotelier ein Primäranspruch aus dem Beherbergungsvertrag und damit auch der Überweisungsbetrag zustand, dass dieser mit Tilgungswirkung auf das Konto der empfangszuständigen Vermittlerin zu überweisen war, und dass die Vermittlerin das Geld treuhänderisch als Zahlungsmittlerin entgegennahm.

Dem Treuhandvertrag als besondere Erscheinungsform des Geschäftsbesorgungsvertrags i.S.d. § 675 BGB ist die Übernahme des treuhänderisch entgegengenommenen Vermögensguts in seinem Bestand, die Wahrung der Vermögensinteressen durch den Treuhänder sowie – nach der Beendigung – die Herausgabe des Gutes an den Treugeber immanent (§§ 675 Abs. 1, 667 BGB; vgl. Sprau, in: Palandt, 77. Auflage 2018, § 675 Rn. 27). Im Streitfall waren diese Pflichten des Treuhänders dahingehend modifiziert, dass die Vermittlerin das ihr aufgrund der Vermittlung zustehende Entgelt in Höhe der Provision u.a. dadurch „erhalten“ sollte, dass der jeweilige Betrag von der aus dem Treuhandvertrag resultierenden Auskehrungspflicht abgezogen wurde. Durch diese Vereinbarung hat der jeweilige Hotelier die im Zusammenhang mit der Vermittlung stehende (Gegen-)Leistung in (zunächst nur) Höhe der Provision u.a. an die Vermittlerin erbracht. Dabei kann es dahinstehen, ob dies rechtstechnisch durch eine auf diesen Teil des Betrags beschränkte Aufrechnung des Vergütungsanspruchs der Vermittlerin gegen die Auskehrungsforderung des Hoteliers erfolgte (§ 387, 388 BGB), oder ob die Vereinbarung, wonach die Vermittlerin diesen Betrag „erhält“, als der Erfüllung dienender Verzicht (§§ 397, 364 BGB) des Hoteliers auf einen Anteil seines aus dem Treuhandvertrag resultierenden Auskehrungsanspruchs zu werten ist. Denn in jedem Fall hat sich der Hotelier endgültig zugunsten der Vermittlerin seiner (anteiligen) Vermögensposition aus dem Treuhandvertrag (§ 667 BGB) begeben und stand diese daraus resultierende Vermögensverschiebung als zu versteuerndes Entgelt (§ 10 Abs. 1 S. 2 UStG) in einem unmittelbarem Zusammenhang mit der von der von der Vermittlerin erbrachten Vermittlungsleistung (§ 3 Abs. 9 UStG).

An dieser Würdigung ändert sich nichts in den Fällen, in denen ein Gast seinen Gutschein nicht innerhalb der Dreijahresfrist (§ 2 Abs. 6 der AGB) einlöste, damit seinen Anspruch aus dem Beherbergungsvertrag verlor und das bereits gezahlte Entgelt dennoch nicht zurückverlangen konnte (ein Rücktritt schied mangels der für § 323 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderlichen Durchsetzbarkeit des Beherbergungsanspruchs aus; ein Anspruch aus § 813 Abs. 1 Satz 1 BGB schied ungeachtet der Subsidiarität des Kondiktionsrechts aus, weil der Gast auf die Einrede des § 320 BGB verzichtet hatte; zudem wäre für etwaige Rückzahlungsansprüche die Verjährung gemäß § 195 BGB zu beachten). Zwar sah der Vertrag zwischen der Vermittlerin und den Hoteliers vor, dass in solchen Fällen die „Abrechnung und Zahlung“ – welche an die nunmehr nicht mehr mögliche Leistungserbringung durch das Hotel gekoppelt waren – nicht mehr erfolgen konnten. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Hotelier entsprechend den obigen Ausführungen durch den Abschluss der vertraglichen Vereinbarungen veranlasst hat, dass das ihm aufgrund des Beherbergungsvertrages zustehende Entgelt zu treuen Händen auf ein Konto der Vermittlerin gezahlt wurde, und dass diese die Befugnis erhielt, zur Abgeltung ihrer Vermittlungsleistung dauerhaft den an sie überwiesenen Betrag (zunächst nur) in Höhe der vereinbarten Provision u. a. einzubehalten.

Die Auffassung der Vermittlerin, wonach der Hotelbetreiber nach Ablauf der Frist gegenüber der Vermittlerin aufgrund der vertraglichen Regelung zur Abrechnungsreife keine Zahlungsforderung erwerbe, damit auch auf nichts verzichten konnte und es daher de facto zwischen dem Hotelbetreiber und der Vermittlerin zu keinerlei Leistungsaustausch gekommen sei, teilt das Finanzgericht nicht. Die Auskehrungsforderung des Hoteliers gegenüber der Vermittlerin entstand ungeachtet späterer Ereignisse bereits mit der treuhänderischen Annahme des Überweisungsbetrages durch die Vermittlerin. Die in Ziff. 4 des Vertrages geregelten Abrechnungsmodalitäten führten im Ergebnis lediglich dazu, dass der dem Treuhandvertrag immanente Auskehrungsanspruch bis zum Eintritt der Abrechnungsreife (Leistungserbringung an Gast) nicht fällig wurde (§ 271 Abs. 2 BGB)[10]. Dass der Anspruch nach Ablauf der Dreijahresfrist ohne Einlösung durch den Gast dauerhaft seine Durchsetzbarkeit verlor, ist die Folge daraus, dass die Fälligkeit aufgrund der vertraglichen Abrede auf einen Zeitpunkt vereinbart wurde, der in dieser Fallkonstellation rein faktisch nicht mehr eintreten konnte. Insofern ist die Annahme, es gebe keinen Anspruch, unzutreffend. Dasselbe gälte, wenn man die Abrede zur Abrechnungsreife in Ziff. 4 des Vertrages dahingehend auslegte, dass die Parteien eine Bedingung i.S.d. § 158 Abs. 2 BGB dahingehend vereinbart haben, dass der dem Hotelier zustehende (noch nicht fällige) Auskehrungsanspruch auf den erfolglosen Ablauf der Dreijahresfrist auflösend bedingt wurde, mithin ab Wegfall der Möglichkeit einer Abrechnungsreife ex nunc entfiele. Auch gälte dasselbe, wenn man Ziff. 4 des Vertrages dahingehend auslegte, dass der Hotelier einen gemäß § 158 Abs. 1 BGB aufschiebend bedingten Verzicht auf seinen (noch nicht fälligen) Auskehrungsanspruch erklärte, welcher mit dem Eintritt des Wegfalls der Möglichkeit einer Abrechnungsreife wirksam werden sollte. Denn keine dieser Auslegungen änderte die umsatzsteuerliche Beurteilung, wonach die Vermittlerin eine Vermittlungsleistung erbrachte, der Hotelier in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Leistung die Zahlung einer ihm zustehenden Gegenleistung auf das Konto der Vermittlerin veranlasste, sich dabei zugleich dauerhaft und zugunsten der Vermittlerin (zunächst anteilig) des Rechts auf Auskehrung begab und damit ein Entgelt i.S.d. § 10 Abs. 1 UStG an die Vermittlerin erbrachte. Diese Annahme würde selbst dann nicht erschüttert werden, wenn man Ziff. 4 des Vertrages dahingehend verstünde, dass der Hotelier bei Unmöglichkeit des Eintritts der Abrechnungsreife mit zivilrechtlicher Wirkung ex tunc auf seinen Anspruch verzichtet hätte. Denn auch diese zivilrechtliche Gestaltung stellte die Annahme nicht in Abrede, dass die Vermittlerin für ihre Leistung und auf Veranlassung des Hoteliers einen Vermögenswert in Gestalt des dem Hotelier zustehenden Überweisungsbetrags erhielt.

Bezüglich des überschießenden Betrags dagegen lagen – anders als bei der sofort verdienten Provision u. a. – zunächst und bis zum Wegfall der Möglichkeit des Eintritts einer Abrechnungsreife durchlaufende Posten vor.

Nach § 10 Abs. 1 Satz 6 UStG gehören die Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten), nicht zum Entgelt. Damit wird Art. 79 Buchst. c MwStSystRL umgesetzt, wonach Beträge, die ein Steuerpflichtiger vom Erwerber oder vom Dienstleistungsempfänger als Erstattung der in ihrem Namen und für ihre Rechnung verauslagten Beträge erhält und die in seiner Buchführung als durchlaufende Posten behandelt sind, nicht in die Steuerbemessungsgrundlage einzubeziehen sind. Dabei muss der Unternehmer die im Namen und für Rechnung des anderen vereinnahmten Beträge auch nach nationalem Recht in seiner Buchführung als durchlaufende Posten behandeln, wobei es hierfür ausreicht, wenn er die Beträge außerhalb der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage – und nicht notwendig ausdrücklich als „durchlaufende Posten“ – verbucht[11]. In § 10 Abs. 1 Satz 6 UStG ist dieses Erfordernis der steuerlichen Behandlung aus Art. 79 Buchst. c MwStSystRL zwar nicht ausdrücklich aufgenommen. § 10 Abs. 1 Satz 6 UStG ist aber richtlinienkonform unter Einbeziehung dieser Voraussetzung auszulegen[12]. Nimmt der Unternehmer diese Behandlung als durchlaufende Posten in seiner Buchführung nicht vor, fallen die Beträge – trotz der Vereinnahmung auf fremde Rechnung – (sogleich) in die Bemessungsgrundlage für seine Leistungen[13].

Nach diesen Grundsätzen lagen hinsichtlich der überschießenden Beträge (zunächst) durchlaufende Posten vor. Denn diese Beträge vereinnahmte die Vermittlerin auftragsgemäß im Namen und für Rechnung des jeweiligen Hoteliers zur späteren Weiterleitung an diese. Das Handeln im Namen und für fremde Rechnung folgte dabei daraus, dass der Gast gem. § 2 der AGB der Vermittlerin befugt und verpflichtet war, das dem Hotelier aus dem Beherbergungsvertrag geschuldete Entgelt auf das von der Vermittlerin angegebene Konto zu überweisen. Die Vermittlerin trat dabei gemäß § 1 der AGB ausdrücklich als reine Vermittlerin auf, welche zugleich die in § 2 der AGB näher konkrete Abwicklungsfunktion und dabei insbesondere die Entgegennahme des Geldes „zu treuen Händen“ übernahm. Sie agierte damit nicht nur bei Vertragsschluss, sondern – bezogen auf die Gegenleistung der Gäste – erkennbar im Einvernehmen aller auch bei der Vertragsabwicklung im Auftrag, im Namen und auf Rechnung der Hoteliers. Entsprechend dieser vertraglichen Gestaltung behandelte die Vermittlerin die vereinnahmten Beträge auch selbst als durchlaufende Posten. Denn im Lichte der nur treuhänderischen Vereinnahmung des überschießenden Betrags zur späteren Auskehrung unterwarf sie die Summe nicht der Besteuerung und ordnete sie damit nicht den steuerbaren Entgelten zu. Das ihr alternativ zustehende Wahlrecht, die Überweisungen der Hotelgäste (sogleich) in voller Höhe als Teil ihrer eigenen steuerlichen Bemessungsgrundlage zu erfassen, hat sie nicht ausgeübt.

Der nach Ablauf von drei Jahren bei Nichtantritt der Reise eintretende Verlust einer Durchsetzbarkeit des dem Hotelier zustehenden Auskehrungsanspruchs in Höhe des überschießenden Betrags führt zu einer nachträglichen Erhöhung des Entgelts für die Vermittlungsleistung der Vermittlerin (§ 17 Abs. 1 UStG).

Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG hat der Unternehmer, der einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen[14], wenn sich die Bemessungsgrundlage für den steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geändert hat. Die Änderung hat gemäß § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG in dem Zeitraum zu erfolgen, in dem die Änderung eintrat. Das die Bemessungsgrundlage im Sinne des § 17 Abs. 1 UStG bestimmende Entgelt umfasst dabei alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer, § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG. Erhöhungen der Bemessungsgrundlage können z.B. nachträglich vereinbarte, freiwillig geleistete oder – falls die Bedingung später eintritt – zunächst bedingt vereinbarte Entgelterhöhungen sein[15].

Nach diesen Grundsätzen führt der dargestellte endgültige Verlust der Möglichkeit einer Abrechnungsreife und damit der endgültige Verlust einer Möglichkeit des Hoteliers, seinen (um die Provision u. a. bereinigten) Auskehrungsanspruch durchzusetzen, zu einer nachträglichen Erhöhung der Bemessungsgrundlage. Denn zunächst stand dem Hotelier dieser – bei der Vermittlerin aufgrund der Behandlung als durchlaufender Posten zunächst nicht als Entgelt zu berücksichtigende – Betrag aufgrund der vereinbarten Treuhandabrede (wenngleich nicht fällig) zu. Erst durch den Eintritt der aufgrund der vertraglichen Abrede und des Zeitablaufs eingetretenen Unmöglichkeit der Abrechnungsreife verblieb dieser Betrag endgültig im Vermögen der Vermittlerin. Ob diese endgültige Zuordnung, wie oben dargelegt, darauf fußt, dass aufgrund der getroffenen Fälligkeitsvereinbarung (§ 271 Abs. 2 BGB) die Durchsetzbarkeit endgültig ausgeschlossen war, ob die Beteiligten einen auf den Eintritt des erfolglosen Fristablaufs auflösend bedingten (§ 158 Abs. 2 BGB) Anspruch vereinbarten, oder ob der Hotelier einen auf diesen Fristablauf aufschiebend bedingten (§ 158 Abs. 1 BGB) Verzicht (mit zivilrechtlicher Wirkung ex nunc oder ex tunc) aussprach, kann dabei dahinstehen. Denn in jedem der Fälle hätte der Hotelier durch den Abschluss des Vertrags einschließlich der darin enthaltenen Klausel zur Abrechnungsreife veranlasst, dass der ihm aus dem Beherbergungsvertrag zustehende – und in seinem Namen zunächst vereinnahmte – Betrag nicht an ihn ausgekehrt wurde, sondern dauerhaft bei der Vermittlerin verblieb. Diese endgültige vertragliche Verschiebung des überschießenden Betrages von dem Hotelier auf die Vermittlerin erfolgte im Zeitpunkt des Wegfalls der Möglichkeit des Eintritts der Abrechnungsreife, stand in einem umsatzsteuerlich relevanten Zusammenhang mit der Vermittlungsleistung und stellte damit ebenfalls einen Teil dessen dar, was der Hotelier als Empfänger der Vermittlungsleistung aufgewendet hat, um die Vermittlungsleistung zu erhalten (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG). Denn die Vermögensverschiebung erfolgte aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags, in welchem sich die Vermittlerin zu einer im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden konkreten (Vermittlungs-)Leistung verpflichtete und der Hotelier als identifizierbarer Empfänger die Leistung, welche zu einem Verbrauch i.S.d. gemeinsamen Mehrwertsteuersystems führte, erhielt. Unbeachtlich ist dabei entsprechend den o.g. Grundsätzen, dass der Beherbergungsvertrag nicht durchgeführt wurde, und dass der Empfänger die empfangene Vermittlungsleistung damit letztlich nicht wirtschaftlich verwerten konnte. Ebenso ist unbeachtlich, dass die Erbringung der Gegenleistung in Höhe des überschießenden Betrags von der Nichteinlösung des Gutscheins binnen drei Jahren und damit von einem Umstand abhing, dessen Eintritt für die Parteien zunächst ungewiss und nicht beeinflussbar war. Denn auch dies steht nicht der Annahme entgegen, dass der überschießende Betrag als Bestandteil der Gegenleistung aus dem Beherbergungsvertrag zunächst allein dem Hotelier zustand und durch diesen im Wege des Abschlusses der benannten Vertragsklausel für die Fälle der Nichteinlösung durch den Gast binnen drei Jahren auf die Vermittlerin übertragen wurde. Dass die Vermittlerin den Betrag einbehalten durfte war somit kein außerhalb der Leistungsbeziehung eingetretener Glücksfall, sondern die Folge einer Zuwendung des Hoteliers aufgrund der erbrachten Vermittlungsleistung.

Schleswig -Holsteinisches Finanzgericht, Urteil vom 6. Februar 2018 – 4 K 121/16

  1. vgl. EuGH, Urteil vom 21.03.2002, – C-174/00, BFH/NV Beilage 2002, BFH, Urteil vom 18.12 2008, – V R 38/06, BStBl II 2009, m.w.N.[]
  2. vgl. BFH, Urteil vom 18.12 2008, – V R 38/06, BStBl II 2009, 749 m.w.N.[]
  3. BFH, Urteil vom 21.04.2005, – V R 11/03, BStBl II 2007, 63 m.w.N.; BFH, Urteil vom 09.11.2006, – V R 9/04, BStBl II 2007, 285 m.w.N.[]
  4. vgl. BFH, Urteil vom 18.01.2005, – V R 17/02, BFH/NV 2005, 1394[]
  5. BFH, Urteil vom 18.01.2005, – V R 17/02, BFH/NV 2005, 1394[]
  6. BFH, Urteil vom 22.04.2015, – XI R 10/14, BStBl II 2015, 862[]
  7. zur Abgrenzung s. BFH, Urteil vom 20.02.1992 – V R 107/87, BFHE 167, 567, BStBl II 1992, 705[]
  8. s. m.w.N. BFH, Urteil vom 22.02.2017, – XI R 17/15, BStBl II 2017, 812[]
  9. vgl. BFH, Urteil vom 06.10.1988, – V R 124/83[]
  10. zur Wirkung von Fälligkeitsabreden s. Grüneberg, in: Palandt, 77. Auflage 2018, § 271 Rn. 4 ff.[]
  11. BFH, Urteil vom 03.07.2014 – V R 1/14, BFH/NV 2014, 2014[]
  12. vgl. m.w.N. BFH, Urteil vom 03.07.2014 – V R 1/14, BFH/NV 2014, 2014[]
  13. BFH, Urteil vom 03.07.2014 – V R 1/14, BFH/NV 2014, 2014 m.w.N.[]
  14. zur Berechtigung einer Berichtigung durch das Finanzamt von Amts wegen siehe Korn, in: Bunjes, UStG, 16. Auflage 2017, § 17 Rn.19[]
  15. vgl. näher Korn, in: Bunjes, 16. Auflage 2017, UStG, § 17 Rn. 27[]