Ein Leistungsbündel aus Unterhaltung und kulinarischer Versorgung der Gäste (sog. „Dinner-Show“) unterliegt jedenfalls dann dem Regelsteuersatz, wenn es sich um eine einheitliche, komplexe Leistung handelt[1]

Ob im Fall eines Leistungsbündels umsatzsteuerrechtlich eine einheitliche Leistung vorliegt oder ob mehrere, getrennt zu beurteilende Leistungen gegeben sind, haben im Rahmen der mit Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union errichteten Zusammenarbeit die nationalen Gerichte festzustellen, die dazu alle endgültigen Tatsachenbeurteilungen vorzunehmen haben[2]. Dies ist (auch) bei einer „Dinner-Show“ das Ergebnis einer tatsächlichen Würdigung, die nach nationalem Verfahrensrecht dem Finanzgericht obliegt und den BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindet[3].
Das Finanzgericht hat im Streitfall angenommen, im Streitfall würden sich Show und Menü zu einem untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang verbinden. Eine Aufspaltung in eine kulinarische und eine künstlerische Einzel- (haupt-)Leistung sei angesichts der gewünschten Verbindung von Menü und Show ebenso lebensfremd wie die Annahme, das Menü sei eine Nebenleistung zur Show oder die Show Nebenleistung zum Menü. Show und Menü seien aufeinander abgestimmt und griffen in zeitlicher Hinsicht ineinander. Durch die Verflechtung könne die Leistung nur insgesamt in Anspruch genommen werden. Der Besucher wolle Show und Menü zusammen erleben und genießen. Es gehe um die Verbindung beider Elemente.
Diese Würdigung ist auf Basis der Rechtsprechung des BFH zu den bisher von ihm dazu entschiedenen Fällen[4] möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze; sie bindet daher den Bundesfinanzhof (§ 118 Abs. 2 FGO). Dass bei anderer Sachverhaltsgestaltung eine andere Würdigung möglich wäre[5], z.B. wenn bei einer Show ein Menü optional hinzu gebucht werden kann, ändert daran nichts.
Jedoch unterliegt -ausgehend von der Annahme des Finanzgericht, es liege eine einheitliche, komplexe Leistung vor- eine (aus der Kombination einer begünstigten Vorführung und eines nicht begünstigten mehrgängigen Menüs bestehende) Dinner-Show -entgegen der Annahme des Finanzgericht- dem Regelsteuersatz[6]. § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG findet auf sie auch dann keine Anwendung, wenn die Qualität der Darbietung höher ist als die Qualität der Speisen. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben.
Die Steuer beträgt gemäß § 12 Abs. 1 UStG für jeden steuerpflichtigen Umsatz 19 % der Bemessungsgrundlage (Regelsteuersatz). Nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 % für die Eintrittsberechtigung für Theater, Konzerte und Museen sowie die den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler.
Unionsrechtliche Grundlage hierfür ist u.a. Art. 98 Abs. 2 i.V.m. Anhang – III Kategorie 7 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem -MwStSystRL-[7]. Danach können die Mitgliedstaaten der EU einen ermäßigten Steuersatz anwenden auf die Eintrittsberechtigung für Veranstaltungen, Theater, Zirkus, Jahrmärkte, Vergnügungsparks, Konzerte, Museen, Tierparks, Kinos und Ausstellungen sowie ähnliche kulturelle Ereignisse und Einrichtungen.
Ermäßigt zu besteuern sind danach nicht nur Aufführungen von Theaterstücken, Opern und Operetten, sondern auch Darbietungen der Pantomime und Tanzkunst, der Kleinkunst und des Varietés sowie Puppenspiele und Eisrevuen[8]. Begünstigt sind auch „Mischformen“ von Sprech, Musik- und Tanzdarbietungen, so dass eine Unterhaltungsshow oder eine Feuerwerksveranstaltung ebenfalls eine Theatervorführung i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG sein können[9].
Die Steuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG setzt nach der Rechtsprechung des BFH jedoch außerdem voraus, dass die begünstigte Vorführung der Hauptbestandteil der einheitlichen Gesamtleistung ist[10] und den eigentlichen Zweck der Veranstaltung ausmacht[11]. Hieran fehlt es, wenn sich das Leistungsbündel aus Unterhaltung und kulinarischer Versorgung der Gäste -wie im Streitfall von den Beteiligten übereinstimmend angenommen- in der Gesamtschau als einheitlicher (komplexer) Umsatz darstellt[12]. Bezüglich der letztgenannten Ausführungen handelt es sich nicht -wie das Finanzgericht meint- nur um eine Aussage zu dem dort entschiedenen Einzelfall, sondern um eine allgemeine Aussage. Die Annahme eines einheitlichen, komplexen Umsatzes aus Unterhaltung und kulinarischer Versorgung der Gäste führt, was das Finanzgericht insoweit nicht beachtet hat, nach dem BFH, Beschluss in BFH/NV 2015, 244 zur Anwendung des Regelsteuersatzes. Der Bundesfinanzhof schließt sich dieser Auffassung an. Auf die vom Finanzgericht vorgenommene Bewertung, dass die Show besser sei als das Essen, kommt es daher insoweit nicht an.
Diese Auslegung der nationalen Steuerermäßigungsvorschrift steht in Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH.
Wenn von den Elementen, die eine einheitliche komplexe Leistung bilden, nicht ein Hauptelement und ein oder mehrere Nebenelemente bestimmt werden können, sind nach der Rechtsprechung des EuGH die Elemente, die diese Leistung bilden, als gleichwertig anzusehen[13]. Wenn nur einer von mehreren gleichwertigen Bestandteilen dem ermäßigten Steuersatz unterliegt und der andere nicht, kann der ermäßigte Steuersatz nicht auf die einheitliche komplexe Leistung angewandt werden[14].
So liegt es nach der Rechtsprechung des BFH hier; denn das Finanzgericht hat angenommen, dass die beiden Leistungsbestandteile nicht im Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung zueinander stehen. Der Besucher will nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgericht Show und Menü zusammen erleben und genießen. Die Unternehmerin kombiniert nach der weiteren tatsächlichen Würdigung des Finanzgericht eine Show mit einem „Gourmet-Menü“. Show und Essen sind daher insoweit als gleichwertig anzusehen, was auch nach der Rechtsprechung des EuGH die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ausschließt.
Die vom Finanzgericht vorgenommene qualitative Abstufung der Hauptelemente, das heißt der Umstand, dass nach der Beurteilung des Finanzgericht der Showteil eine bessere Qualität aufweist als das Essen, sowie die vom Finanzgericht herangezogenen Prospekte und die Kostenaufteilung führen zu keiner anderen Beurteilung. Die aus Sicht des Finanzgericht „geringere“ Qualität des Essens im Vergleich zur Show ändert nichts daran, dass es sich nach der Konzeption der zu beurteilenden Leistung und dem Prospekt um gleichwertige Elemente handelt. Dies gilt auch unabhängig davon, ob die Kosten der Show höher sind als die des Menüs (oder umgekehrt). Bei einem Leistungsbündel aus Unterhaltung und kulinarischer Versorgung der Gäste macht die Vorführung nicht den eigentlichen Zweck der Veranstaltung aus[15].
Hinzu kommt, dass die Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung der ermäßigten Steuersätze die Grundsätze der Neutralität der Mehrwertsteuer und der Gleichbehandlung beachten müssen, die es nicht zulassen, gleichartige Gegenstände oder Dienstleistungen, die miteinander in Wettbewerb stehen, hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln[16]. Darauf hat, ebenso wie der Gesetzgeber und die Finanzverwaltung, auch die finanzgerichtliche Rechtsprechung zu achten.
Dienstleistungen sind gleichartig, wenn sie ähnliche Eigenschaften haben und beim Verbraucher nach einem Kriterium der Vergleichbarkeit in der Verwendung denselben Bedürfnissen dienen und wenn die bestehenden Unterschiede die Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers zwischen diesen Gegenständen oder Dienstleistungen nicht erheblich beeinflussen[17].
Ausgehend davon sind die Dinner-Shows, die den früheren Verfahren vor dem Bundesfinanzhof[18] zugrunde lagen und nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dem Regelsteuersatz unterliegen, und die Leistungen der hier klagenden Unternehmerin vergleichbar. Ihnen liegt die gleiche Konzeption (Show und Menü) zugrunde. Gründe, die eine Bevorzugung der Unternehmerin gegenüber diesen Wettbewerbern rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich. Show und Menü der Unternehmerin sind nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgericht und der sich daran anschließenden Würdigung aufeinander abgestimmt und greifen in zeitlicher Hinsicht ineinander. Der Besucher will Show und Menü zusammen erleben und genießen.
Dass das Finanzgericht den Streitfall außerdem dahin gehend tatsächlich gewürdigt hat, die Qualität der Show („auf höchstem Niveau“, „von international höchster Qualität“) sei höher einzustufen als die Qualität des Menüs („keine Sterneküche“, „kann mit der Show nicht mithalten“), ändert auch daran nichts. Vielmehr ist die vom Finanzgericht in anderem Zusammenhang festgestellte Konzeption der Dinner-Show (Kombination von Show und Menü) auch insoweit von ausschlaggebender Bedeutung.
Soweit das Finanzgericht im Rahmen der Vorentscheidung auf Rz 29 des EuGH-Urteils „Mesto Zamberk“[19] abgestellt hat, setzte die Anwendung der dort genannten Grundsätze voraus, dass auf der Grundlage einer Gesamtheit objektiver Gesichtspunkte, insbesondere der Konzeption der Leistung, die sich aus ihren objektiven Merkmalen ergibt, ein „dominierender“ Bestandteil vorhanden ist. Dies ist -wie ausgeführt- nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgericht und auf Basis der Rechtsprechung des BFH jedoch gerade nicht der Fall.
Da die Leistung der Unternehmerin eine einheitliche, komplexe Leistung mit mehreren Hauptbestandteilen ist, von denen einer nicht dem ermäßigten Steuersatz unterliegt, unterliegt sie insgesamt dem Regelsteuersatz.
Die im Laufe des Revisionsverfahrens unionsrechtlich zweifelhaft gewordene Rechtsfrage, ob trotz des Vorliegens einer einheitlichen Leistung eine selektive Anwendung des ermäßigten Steuersatzes möglich ist, obwohl der betreffende Mitgliedstaat diese in seinem nationalen Recht nicht angeordnet hat[20], hat der EuGH verneint[21]. Ein dem § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG vergleichbares Aufteilungsgebot enthält § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG nicht[22]. Darum kann im Streitfall offen bleiben, ob trotz des EuGH, Urteils Stadion Amsterdam[23] aufgrund des EuGH, Urteils Kommission/Frankreich[24] an der Rechtsprechung zu im nationalen Recht angeordneten Aufteilungsgeboten[25] festgehalten werden kann.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 13. Juni 2018 – XI R 2/16
- vgl. dazu EuGH, Urteile Levob Verzekeringen und OV Bank vom 27.10.2005 – C-41/04, EU:C:2005:649, BFH/NV 2006, Beilage 1, 38, Rz 18 ff., 22; Bog u.a. vom 10.03.2011 – C-497/09 u.a., EU:C:2011:135, BStBl II 2013, 256, Rz 51 ff.; Stadion Amsterdam, EU:C:2018:22, DStR 2018, 246, Rz 21 ff.[↩]
- vgl. z.B. EuGH, Urteil BGZ Leasing vom 17.01.2013 – C-224/11, EU:C:2013:15, HFR 2013, 270, Rz 33; BFH, Urteil vom 13.11.2013 – XI R 24/11, BFHE 243, 471, BStBl II 2017, 1147, Rz 42[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 10.01.2013 – V R 31/10, BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, Rz 29[↩]
- vgl. neben dem BFH, Urteil in BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, auch BFH, Beschluss vom 28.10.2014 – V B 92/14, BFH/NV 2015, 244[↩]
- vgl. BFH, Beschlüsse vom 24.06.2015 – XI B 61/14, n.v., unter III. 1.b cc; – XI B 62/14, n.v., unter II. 1.b cc[↩]
- gl.A. Frye in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b Rz 110 und § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d Rz 27; Janzen in Lippross/Seibel, UStG, § 12 Abs. 2 Nr. 7 Rz 16; Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 12 Rz 411; Kraeusel in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 12 Rz 211.02.; Lippross, Umsatzsteuer, 24. Aufl., S. 728; Stadie, UStG, 3. Aufl., § 12 Rz 45; Wäger in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 4 Nr.20 Rz 84; ebenso zur Rechtslage in Österreich Pernegger in Melhardt/Tumpel, UStG, 1. Aufl., § 10 Rz 340; a.A. K.-R. Wagner, UR 2016, 333[↩]
- vgl. BT-Drs. 15/3677, S. 41[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 26.04.1995 – XI R 20/94, BFHE 177, 548, BStBl II 1995, 519; vom 09.10.2003 – V R 86/01, BFH/NV 2004, 984, unter II. 1.a; vom 19.10.2011 – XI R 40/09, BFH/NV 2012, 798, Rz 33; in BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, Rz 42; s.a. Abschn. 12.5 Abs. 2 Satz 5 des Umsatzsteueranwendungserlasses a.F.[↩]
- vgl. BFH, Urteile in BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, Rz 42; vom 30.04.2014 – XI R 34/12, BFHE 245, 409, BStBl II 2015, 166[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, Rz 43[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 177, 548, BStBl II 1995, 519[↩]
- vgl. BFH, Beschluss in BFH/NV 2015, 244, Rz 22[↩]
- vgl. EuGH, Urteil Bastova vom 10.11.2016 – C-432/15, EU:C:2016:855, UR 2016, 913, Rz 72; s. im Ergebnis auch EuGH, Urteil Stadion Amsterdam, EU:C:2018:22, DStR 2018, 246[↩]
- vgl. EuGH, Urteil Bastova, EU:C:2016:855, UR 2016, 913, Rz 75; vgl. auch zum Fall der Steuerbefreiung nur eines Hauptbestandteils EuGH, Urteil Deutsche Bank vom 19.07.2012 – C-44/11, EU:C:2012:484, BStBl II 2012, 945, Rz 41 bis 43[↩]
- vgl. BFH, Beschluss in BFH/NV 2015, 244; BFH, Urteil in BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, Rz 39 und 43[↩]
- vgl. EuGH, Urteile RPO vom 07.03.2017 – C-390/15, EU:C:2017:174, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2017, 1183, Rz 41; Oxycure Belgium vom 09.03.2017 – C-573/15, EU:C:2017:189, UR 2017, 276, Rz 28 ff.; AZ vom 09.11.2017 – C-499/16, EU:C:2017:846, UR 2018, 204, Rz 29 ff.[↩]
- EuGH, Urteil AZ, EU:C:2017:846, UR 2018, 204, Rz 31[↩]
- BFH – V R 31/10 in BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352; – V B 92/14 in BFH/NV 2015, 244; – XI B 61/14; und – XI B 62/14[↩]
- EuGH, Urteil Mesto Zamberk vom 21.02.2013 – C-18/12, EU:C:2013:95, DStR 2013, 407[↩]
- vgl. zu Fällen nationaler Anordnung EuGH, Urteil Kommission/Frankreich vom 06.05.2010 – C-94/09, EU:C:2010:253, UR 2010, 454, Rz 26 und 33; BFH, Urteil vom 24.04.2013 – XI R 3/11, BFHE 242, 410, BStBl II 2014, 86, Rz 51 ff.[↩]
- vgl. EuGH, Urteil Stadion Amsterdam, EU:C:2018:22, DStR 2018, 246[↩]
- vgl. BFH, Beschlüsse vom 24.06.2015 – XI B 61/14, n.v., unter III. 1.c bb; – XI B 62/14, n.v., unter II. 1.c bb[↩]
- EU:C:2018:22, DStR 2018, 246[↩]
- EU:C:2010:253, UR 2010, 454[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteile in BFHE 242, 410, BStBl II 2014, 86; vom 01.03.2016 – XI R 11/14, BFHE 253, 438, BStBl II 2016, 753[↩]