Umsatzsteuerbefreiung für Museumsführer

Die Steuerbefreiung des § 4 Nr.20 Buchst. a UStG für die Leistungen eines Museums oder einer gleichartigen Einrichtung umfasst sachlich nicht nur die Einräumung von Eintrittsberechtigungen in das Museum, sondern z.B. auch andere typische Museumsleistungen mit Kulturbezug. Das Museum, mit dem die gleichartige Einrichtung ihre Museumsleistung erbringt, kann auch das Museum einer dritten Person sein. Jedenfalls bei einem Museum, das nur in Begleitung eines Gästeführers besucht werden darf, ist die Führung der Museumsgäste eine typische Museumsleistung.

Umsatzsteuerbefreiung für Museumsführer

Ein spezialisierter Unterricht, der für sich allein nicht der für den Schul- und Hochschulunterricht kennzeichnenden Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen gleichkommt, ist kein Schul- oder Hochschulunterricht i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL in seiner neueren Auslegung durch den EuGH. Art. 132 Abs. 1 Buchst. n MwStSystRL ist grundsätzlich nicht berufbar.

Leistungen eines staatlich anerkannten Gästeführers in einem staatlich anerkannten Museum sind mithin unter bestimmten Voraussetzungen umsatzsteuerfrei.

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall hat ein Gästeführer geklagt, der in einem Museum tätig ist, das ausschließlich über Gruppenführungen begehbar ist. Auftraggeber des Museumsführers ist eine gemeinnützige Stiftung, die das Museum betreibt und steuerfreie Umsätze an die Museumsbesucher erbringt. Die zuständige Bezirksregierung hat dem Museumsführer bescheinigt, dass er als Museumsführer die gleichen kulturellen Aufgaben erfüllt wie vergleichbare Einrichtungen in öffentlichrechtlicher Trägerschaft.

Während das Finanzamt davon ausging, dass die Umsätze des Museumsführers trotz dieser Bescheinigung umsatzsteuerpflichtig seien, entschied das Finanzgericht Münster, dass die Umsätze des Museumsführers steuerfrei sind[1].

Der Bundesfinanzhof bestätigte nun das Urteil des Finanzgerichts Münster und wies die Revision des Finanzamtes als unbegründet zurück: Dieses habe zu Recht angenommen, dass die Umsätze nach § 4 Nr.20 Buchst. a Sätze 1 und 2 UStG steuerfrei seien. Nach dieser Vorschrift seien die Umsätze der staatlichen Museen sowie „gleichartiger Einrichtungen“ anderer Unternehmer steuerfrei, wenn die zuständige Landesbehörde -wie im Streitfall- sowohl dem Museum als auch dem Museumsführer bescheinigt habe, dass sie die gleichen kulturellen Aufgaben wie die staatlichen Museen erfüllen. Steuerfrei seien die typischen Museumsleistungen, zu denen[2] auch die Führung der Gäste gehöre. Das Museum, mit dem der Leistende seine Museumsleistung erbringt, dürfe auch das Museum einer dritten Person (hier: der Stiftung) sein. Dass der Museumsführer mit Gewinnerzielungsabsicht handele, sei für die Steuerbefreiung unschädlich. Klargestellt hat der Bundesfinanzhof dabei allerdings auch, dass die Leistungen anderer selbständiger Subunternehmer des Museums, die über keine entsprechende Bescheinigung verfügen, weil sie nicht selbst kulturelle Leistungen erbringen[3], nicht umsatzsteuerfrei sind.

Das Finanzgericht hat zwar unzutreffend angenommen, dass sich eine Steuerbefreiung der Umsätze des Museumsführers aus seiner erfolgreichen Berufung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und n MwStSystRL ergebe. Dies ist nicht der Fall.

Die Tätigkeiten des Museumsführers sind kein Schul- oder Hochschulunterricht i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL in seiner neueren Auslegung durch den EuGH[4], weil der „Unterricht“ des Museumsführers allenfalls ein spezialisierter Unterricht wäre, der für sich allein nicht der für den Schul- und Hochschulunterricht kennzeichnenden Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen gleichkäme, auf die der EuGH insoweit neuerdings abstellt.

132 Abs. 1 Buchst. n MwStSystRL ist -entgegen der Auffassung des Finanzgericht- grundsätzlich nicht berufbar[5].

Allerdings hat das Finanzgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr.20 Buchst. a Satz 2 UStG bejaht und den Museumsführer als eine dem Museum A gleichartige Einrichtung angesehen.

Nach § 4 Nr.20 Buchst. a Satz 1 UStG sind von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen steuerfrei die Umsätze folgender Einrichtungen des Bundes, der Länder, der Gemeinden oder der Gemeindeverbände: Theater, Orchester, Kammermusikensembles, Chöre, Museen, botanische Gärten, zoologische Gärten, Tierparks, Archive, Büchereien sowie Denkmäler der Bau- und Gartenbaukunst. Das Gleiche gilt gemäß § 4 Nr.20 Buchst. a Satz 2 UStG für die Umsätze gleichartiger Einrichtungen anderer Unternehmer, wenn die zuständige Landesbehörde -wie im Streitfall- bescheinigt, dass sie die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in Satz 1 bezeichneten Einrichtungen erfüllen.

Museen im Sinne dieser Vorschrift sind wissenschaftliche Sammlungen und Kunstsammlungen (§ 4 Nr.20 Buchst. a Satz 3 UStG, ab 01.07.2013: § 4 Nr.20 Buchst. a Satz 4 UStG). Die Steuerbefreiung in § 4 Nr.20 Buchst. a Sätze 1 und 2 UStG ist auf alle Umsätze mit Kulturbezug anzuwenden; steuerfrei ist nicht nur die Einräumung von Eintrittsberechtigungen, sondern sind z.B. auch andere typische Museumsleistungen[6], wobei es sich bei den in § 4 Nr.20 Buchst. a Satz 3 bzw. 4 UStG genannten Sammlungen auch um die einer anderen Person handeln kann[7].

Der Begriff „Einrichtung“ ist weit genug, um auch natürliche Personen[8] und private Einheiten mit Gewinnerzielungsabsicht[9] zu erfassen[10], BFHE 272, 259, Rz 34)).

Die Prüfung, ob die natürliche Person oder die private Einrichtung mit Gewinnerzielungsabsicht eine Einrichtung betreibt, die einer Einrichtung i.S. des § 4 Nr.20 Buchst. a Satz 1 UStG gleichartig ist[11], obliegt zwar den Finanzbehörden und Finanzgerichten[12]. Indes ist der Inhalt der Bescheinigung auch für den Begriff der Gleichartigkeit in § 4 Nr.20 Buchst. a Satz 1 UStG mit heranzuziehen; wenn sich aus der Bescheinigung ergibt, dass der Inhaber der Bescheinigung die gleichen kulturellen Aufgaben wie eine Einrichtung i.S. des § 4 Nr.20 Buchst. a Satz 1 UStG erfüllt, beide bei der Erbringung der befreiten Leistung zusammenwirken und sie ihre kulturelle Aufgabe gemeinsam erfüllen, ist die Leistung des Inhabers der Bescheinigung gleichartig[13]. Soweit der Bundesfinanzhof früher[14] in Bezug auf den Begriff des Orchesters eine richtlinienkonforme Auslegung des § 4 Nr.20 Buchst. a Satz 2 UStG nicht für möglich gehalten hat, hat er, was das Finanzgericht zwar noch nicht berücksichtigen konnte, aber zutreffend vorweggenommen hat, diese Beurteilung nach Ergehen des Urteils des Finanzgericht aufgegeben[15]. Für den Begriff des „Theaters“ ist der Bundesfinanzhof seit jeher davon ausgegangen, dass dies auch eine Aufführung durch nur eine Person sein kann[16]. Ebenso können Leistungen eines Museums von einer Person erbracht werden.

Gemessen daran hält die Auffassung des Finanzgericht, dass die streitigen Leistungen des Museumsführers gemäß § 4 Nr.20 Buchst. a Satz 2 UStG steuerfrei seien, den Angriffen der Revision stand.

Das Finanzgericht hat mit beiden Beteiligten angenommen, dass die Stiftung A ein Museum i.S. des § 4 Nr.20 Buchst. a UStG betreibt, so dass das Museum A den Museumsbegriff erfüllt. Dies wird in Bezug auf die Stiftung A mit der Revision auch nicht angegriffen.

Das Finanzgericht hat auch die Gleichartigkeit der Leistungen bejaht, weil das Museum A ausschließlich im Rahmen der vom Museumsführer und den anderen Gästeführern durchgeführten Führungen zugänglich sei. Der Museumsführer sei unmittelbarer und unverzichtbarer Bestandteil der kulturellen Leistung des Museums A. Ohne Gästeführer gebe es im Streitfall keine Museumsbesichtigung.

Diese Würdigung ist aufgrund der vom Finanzgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen sowie des Inhalts der Bescheinigung der B möglich und verstößt nicht gegen die unter II. 2.a genannten Rechtsgrundsätze, gegen Denkgesetze oder gegen Erfahrungssätze; sie bindet daher den Bundesfinanzhof (§ 118 Abs. 2 FGO).

Der Einwand des Finanzamtes, dass die Auslegung des Finanzgericht zu weit gehe, weil dann auch ein selbständiger Unternehmer, der selbst nicht Inhaber eines Museums sei, eine Museumsleistung erbringen könne, greift schon deshalb nicht durch, weil das vom Finanzamt geschilderte Ergebnis der bereits vorhandenen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entspricht[7]: Das Museum[17], mit dem der Leistende seine Museumsleistung erbringt, kann auch das Museum[17] einer dritten Person sein.

Soweit das Finanzamt zu Recht darauf hinweist, dass der Museumsführer die persönlichen Voraussetzungen der Steuerbefreiung selbst erfüllen muss, weil sonst z.B. auch die Leistungen eines Hausmeister- oder Sicherheitsdienstes für das Museum steuerfrei sein müssten, trifft dies zwar zu[18]. Indes erfüllt der Museumsführer im Streitfall die personellen Voraussetzungen in eigener Person. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgericht, u.a. dem Inhalt der Bescheinigung der B, erfüllt er selbst kulturelle Aufgaben, indem er selbst eine kulturelle Leistung[19] erbringt. Die Leistungen des Museumsführers sind daher mit den vom Finanzamt erwähnten, nicht nach § 4 Nr.20 Buchst. a UStG befreiten Leistungen eines selbst nicht kulturell tätigen Subunternehmers[20] nicht vergleichbar.

Der Vortrag des Finanzamtes, dass nur das Vorhandensein des Museums oder der Sammlung und nicht das Handeln von Personen[21] steuerfrei sei, führt ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung, da nach der unter II. 2.a aa genannten Rechtsprechung nicht nur die Eintrittsberechtigung zum Museum steuerfrei ist, sondern die typischen Museumsleistungen, zu denen zumindest bei einem Museum wie dem Museum A, das nur in Begleitung eines Gästeführers besucht werden darf, die Führung der Museumsgäste gehört.

Mit dem Vortrag, dass eine Steuerpflicht der Umsätze des Museumsführers dem Zweck der Steuerbefreiung nicht widerspreche, setzt das Finanzamt nur seine eigene Würdigung an die Stelle der anders lautenden, möglichen Würdigung des Finanzgericht[22].

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 15. Februar 2022 – XI R 30/21 (XI R 37/18)

  1. FG Münster, Urteil vom 08.10.2018 – 5 K 1215/16 U, EFG 2018, 2072[]
  2. zumindest beim Museum der Stiftung[]
  3. z.B. Sicherheits, Reinigungs- oder Hausmeisterdienst des Museums[]
  4. vgl. dazu EuGH, Urteile A&G Fahrschul-Akademie vom 14.03.2019 – C-449/17, EU:C:2019:202; Dubrovin & Tröger – Aquatics vom 21.10.2021 – C-373/19, EU:C:2021:873; EuGH, Beschluss Finanzamt Hamburg-Barmbek-Uhlenhorst vom 07.10.2019 – C-47/19, EU:C:2019:840[]
  5. vgl. BFH, Urteile vom 22.08.2019 – V R 14/17, BFHE 266, 401, BStBl II 2020, 720, Rz 16; vom 10.12.2020 – V R 39/18, BFH/NV 2021, 947, Rz 24; EuGH, Urteil British Film Institute vom 15.02.2017 – C-592/15, EU:C:2017:117, Leitsatz und Rz 24 ff.[]
  6. vgl. BFH, Urteil vom 22.11.2018 – V R 29/17, BFHE 263, 85, BStBl II 2021, 495, Rz 13[]
  7. vgl. BFH, Urteil in BFHE 263, 85, BStBl II 2021, 495, Rz 15[][]
  8. vgl. EuGH, Urteile Gregg vom 07.09.1999 – C-216/97, EU:C:1999:390, Umsatzsteuer-Rundschau -UR- 1999, 419, Rz 21; Administration de l’Enregistrement, des Domaines und de la TVA, EQ vom 15.04.2021 – C-846/19, EU:C:2021:277, Rz 73; BFH, Urteil vom 28.06.2017 – XI R 23/14, BFHE 258, 517[]
  9. vgl. dazu EuGH, Urteile Kingscrest Associates und Montecello vom 26.05.2005 – C-498/03, EU:C:2005:322, UR 2005, 453, Rz 35 und 40; MDDP vom 28.11.2013 – C-319/12, EU:C:2013:778, Rz 28 und 31[]
  10. vgl. allgemein auch BFH, Urteile vom 18.03.2015 – XI R 15/11, BFHE 249, 359, BStBl II 2015, 1058, Rz 31; in BFHE 258, 517, Rz 38; vom 24.02.2021 – XI R 30/20 ((XI R 11/17[]
  11. Gleichartigkeit der kulturellen Einrichtung[]
  12. vgl. BFH, Urteil vom 19.10.2011 – XI R 40/09, BFH/NV 2012, 798[]
  13. vgl. BFH, Urteil in BFHE 266, 401, BStBl II 2020, 720, Rz 15; s.a. bereits Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 18.06.2003 – 5 StR 169/00, UR 2003, 545[]
  14. so noch BFH, Urteil vom 18.02.2010 – V R 28/08, BFHE 228, 474, BStBl II 2010, 876, Rz 20[]
  15. vgl. BFH, Urteil in BFHE 266, 401, BStBl II 2020, 720[]
  16. vgl. BFH, Urteil vom 04.05.2011 – XI R 44/08, BFHE 233, 367, BStBl II 2014, 200, Rz 18[]
  17. die Sammlung[][]
  18. s. oben unter II. 2.a cc[]
  19. in Form der Gästeführung[]
  20. wie z.B. eines Hausmeister- oder Sicherheitsdienstes[]
  21. im Museum[]
  22. EFG 2018, 2072, Rz 34[]