Online-Flugreisebuchung – und die zu penetrant angebotene Reiserücktrittsversicherung

Die Gestaltung eines Buchungsvorgangs für Flugdienste verstößt gegen das Gebot der klaren, transparenten und eindeutigen Mitteilung von fakultativen Zusatzkosten im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung (EG) 1008/2008, wenn der Verbraucher, der eine fakultative Leistung (hier: eine Reiserücktrittsversicherung) zuvor bereits abgewählt hat, im weiteren Verlauf über die erneute Notwendigkeit der Abwahl dieser Leistung getäuscht wird.

Online-Flugreisebuchung – und die zu penetrant angebotene Reiserücktrittsversicherung

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall erfolgte der Buchungsablauf derart, dass die Buchung eines Fluges nur fortgesetzt werden kann, wenn der Besucher des Portals in dem Block unter der Überschrift „Wir empfehlen den Abschluss einer Reiseversicherung“ sich durch Anklicken für eine der drei Möglichkeiten entscheidet:

  • „Reiserücktrittsversicherung“,
  • „Reiseschutzund Rücktrittsversicherung“,
  • „Ich verzichte ausdrücklich auf den angebotenen Reiseschutz und zahle im Notfall alle Kosten selbst“.

Entscheidet sich der Nutzer durch Anklicken für die letzte Möglichkeit, erscheint ein Fenster mit der Überschrift „Sie haben sich entschieden, ohne Versicherung zu verreisen“. In dem Fenster wird der Buchungsinteressent darauf hingewiesen, dass bei einer Stornierung durchschnittlich Kosten in Höhe von 275 € anfallen, in einigen Fällen aber auch deutlich mehr. Ferner weist die Portalbetreiberin nochmals auf die für 9 € erhältliche Reiseversicherung hin. Ein orange unterlegtes Feld rechts unten trägt die Aufschrift „Weiter Ich möchte abgesichert sein“. Links befindet sich das nicht farblich unterlegte und in kleinerer Schrift gehaltene Feld „Weiter ohne Versicherung“.

Der vom Bundesgerichtshof bejahte Unterlassungsanspruch folgt aus § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 3, § 3a UWG in Verbindung mit Art. 23 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008.

Anwendbar ist nach Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 der Rom-II-Verordnung das deutsche Wettbewerbsrecht, weil die aus dem beanstandeten Verhalten der in Großbritannien ansässigen Portalbetreiberin folgende Beeinträchtigung der Verbraucherinteressen in Deutschland eintritt.

Da der klagende Wettbewerbsverband den geltend gemachten Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr stützt, ist die Klage nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten der Portalbetreiberin sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme rechtswidrig war als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz rechtswidrig ist[1]. Nach dem Zeitpunkt der der Portalbetreiberin zur Last gelegten Zuwiderhandlungen ist der Rechtsbruchtatbestand mit Wirkung ab dem 10.12 2015 durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb novelliert worden[2]. In der Sache hat sich durch die Gesetzesänderung für den Tatbestand des Rechtsbruchs nichts geändert[3].

Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 müssen beim Angebot von innergemeinschaftlichen Flugdiensten fakultative Zusatzkosten zum einen auf klare, transparente und eindeutige Art und Weise am Beginn jedes Buchungsvorgangs mitgeteilt werden. Außerdem darf die Annahme dieser fakultativen Zusatzkosten durch den Kunden nur auf Grundlage eines „Optin“-Verfahrens erfolgen. Diese Vorschrift stellt eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG (bis 9.12 2015: § 4 Nr. 11 UWG aF) dar[4].

Die angegriffene Gestaltung des Buchungsvorgangs verstößt gegen Art. 23 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008.

Nach den Feststellungen des Kammergerichts[5] erscheint nach dem Anklicken der Auswahlmöglichkeit mit dem Inhalt „Ich verzichte ausdrücklich auf den angebotenen Versicherungsschutz und zahle im Notfall alle Kosten selbst“ das Fenster mit der Überschrift „Sie haben sich entschieden, ohne Versicherung zu verreisen“. Das Kammergericht hat angenommen, das in diesem Fenster vorgesehene Feld „Weiter – ich möchte abgesichert sein“ sei aufgrund der grafischen und farblichen Gestaltung erheblich augenfälliger als die Schaltfläche, die eine Fortsetzung des Buchungsvorgangs ohne Reiserücktrittsversicherung ermögliche. Seine Gestaltung und Anordnung an der rechten unteren Seite des Fensters verleiteten den Verbraucher dazu, es in der Annahme anzuklicken, er setze die Buchung – wie von ihm bereits zuvor gewählt – ohne Versicherung fort. Auf dieser Grundlage gelangt das Kammergericht zu dem Ergebnis, es handele sich um eine Voreinstellung des Versicherungsschutzes und nicht um ein Verfahren auf „Optin“-Basis.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Ob es sich allerdings – wie das Kammergericht angenommen hat – um einen Verstoß gegen das Erfordernis eines „Optin“-Verfahrens handelt, kann offenbleiben. Jedenfalls steht die Mitteilung der Kosten der Reiserücktrittsversicherung in der angegriffenen Gestaltung des Buchungsvorgangs nicht im Einklang mit dem ebenfalls in Art. 23 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 vorgesehenen Gebot der Klarheit, Transparenz und Eindeutigkeit.

Bei den Kosten der auf der Internetseite der Portalbetreiberin zum Flug hinzubuchbaren Reiserücktrittsversicherung handelt es sich um fakultative Zusatzkosten im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008. Hierzu zählen im Zusammenhang mit Flugreisen stehende Kosten von Leistungen, die – wie eine Reiserücktrittsversicherung – den Luftverkehrsdienst ergänzen, aber für die Beförderung des Fluggastes weder obligatorisch noch unerlässlich sind, auch wenn sie von einer anderen Person als dem Luftverkehrsunternehmen erbracht und von dem Vermittler dieser Reise in einem Gesamtpreis gemeinsam mit dem Flugpreis von dem Kunden erhoben werden[6].

Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 soll im Hinblick auf die Preise von Luftverkehrsdiensten Information und Transparenz gewährleisten und somit zum Schutz des Kunden, der diese Dienste in Anspruch nimmt, beitragen[7]. Der Vorschrift des Art. 23 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 liegt der Zweck zugrunde zu verhindern, dass der Flugkunde im Rahmen des Buchungsvorgangs für einen Flug dazu verleitet wird, Zusatzleistungen abzunehmen, die für den Flugtransport nicht unvermeidbar und unerlässlich sind, sofern er sich nicht ausdrücklich dafür entscheidet, solche Zusatzleistungen abzunehmen und die Zusatzkosten dafür zu zahlen[8]. Um diesen Zweck zu erreichen, muss die Gestaltung des Buchungsvorgangs dem in Art. 23 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 geregelten Gebot der Klarheit, Transparenz und Eindeutigkeit genügen und dem Verbraucher eine bewusste und informierte Entscheidungsmöglichkeit eröffnen[9].

Danach erfüllt die angegriffene Gestaltung des Buchungsvorgangs nicht die Voraussetzungen der klaren, transparenten und eindeutigen Mitteilung von fakultativen Zusatzkosten im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008. Ist der Buchungsvorgang derart gestaltet, dass der Verbraucher, der eine fakultative Leistung zuvor bereits abgewählt hat, im weiteren Verlauf über die erneute Notwendigkeit der Abwahl dieser Leistung getäuscht wird, so ist der Verbraucher nicht in der Lage, eine bewusste und informierte Entscheidung zwischen mehreren Buchungsmöglichkeiten zu treffen. Gegen die tatrichterlichen Feststellungen des Kammergerichts wendet sich die Revision ohne Erfolg. Soweit sie die Gestaltung des Buchungsvorgangs für hinreichend klar hält, ersetzt sie lediglich in revisionsrechtlich unbehelflicher Weise die tatrichterliche Würdigung durch ihre eigene.

Das Kammergericht hat weiterhin mit Recht angenommen, dass der Verstoß gegen Art. 23 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 geeignet war, die Interessen der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen (§ 4 Nr. 11 iVm § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG aF; § 3a UWG nF). Werden unter Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG aF unionsrechtliche Informationspflichten verletzt, ist das Erfordernis der Spürbarkeit grundsätzlich erfüllt[10]. Dass im Streitfall etwas anderes gilt, ist nicht ersichtlich. Diese Maßstäbe gelten für die Spürbarkeitsschwelle des § 3a Halbsatz 2 UWG entsprechend[11].

Bundesgerichtshof, Urteil vom 29. September 2016 – I ZR 160/15

  1. st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 31.03.2016 – I ZR 88/15, GRUR 2016, 1189 Rn. 16 = WRP 2016, 1232 – Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur, mwN[]
  2. BGBl. I, S. 2158[]
  3. BGH, Urteil vom 14.01.2016 – I ZR 61/14, GRUR 2016, 516 Rn. 11 = WRP 2016, 581 – Wir helfen im Trauerfall; BGH, GRUR 2016, 1189 Rn. 16 – Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur[]
  4. vgl. BGH, Beschluss vom 25.10.2012 – I ZR 81/11, K&R 2013, 200 Rn. 9 „Optout“-Verfahren; vgl. ferner – zu Art. 23 Abs. 1 Satz 2 dieser Verordnung – BGH, Urteil vom 30.07.2015 – I ZR 29/12, GRUR 2016, 392 Rn. 15 = WRP 2016, 467 – Buchungssystem II, sowie – zu Art. 23 Abs. 1 Satz 3 dieser Verordnung – BGH, Beschluss vom 21.04.2016 – I ZR 220/14, GRUR 2016, 716 Rn. 16 = WRP 2016, 834 – Flugpreise[]
  5. KG, Urteil vom 21.07.2015 – 5 U 114/14, BeckRS 2015, 15733[]
  6. vgl. EuGH, Urteil vom 19.07.2012 – C112/11, NJW 2012, 2867 Rn. 14, 17 und 20 – ebookers.com/Verbraucherzentrale; BGH, K&R 2013, 200 Rn. 10 – „Optout“-Verfahren[]
  7. vgl. EuGH, NJW 2012, 2867 Rn. 13 ebookers.com/Verbraucherzentrale[]
  8. vgl. EuGH, NJW 2012, 2867 Rn. 15 – ebookers.com/Verbraucherzentrale[]
  9. vgl. OLG Frankfurt/Main, GRUR 2015, 400[]
  10. vgl. BGH, Urteil vom 21.12 2011 – I ZR 190/10, GRUR 2012, 842 Rn. 25 = WRP 2012, 1096 – Neue Personenkraftwagen I; BGH, GRUR 2015, 1240 Rn. 46 – Der Zauber des Nordens[]
  11. BGH, GRUR 2016, 516 Rn. 40 – Wir helfen im Trauerfall[]