Kleinkind im Flugzeug als Passagier für 15 Euro oder Gepäckstück?

Bei Flugverspätungen entfällt der Anspruch für Kleinkinder auf Ausgleichszahlung nur, wenn sie keinen Flugpreis entrichtet haben. Ein Preis von 15 Euro ist für den Anspruch ausreichend, wenn er nicht deutlich als Verwaltungsgebühr erkennbar ist.

Kleinkind im Flugzeug als Passagier für 15 Euro oder Gepäckstück?

So hat das Amtsgericht Hannover in dem hier vorliegenden Fall der Klage eines eingetragenen Rechtsdienstleisters aus abgetretenem Anspruch stattgegeben. Der in Hannover ansässigen Flugreiseveranstalter wurde zu einer Zahlung von 400 Euro verurteilt.

Am 1. Juli 2018 wollten zwei Passagiere mit ihrem Kleinkind von Heraklion nach Nürnberg mit Ankunft um 12.30 Uhr transportiert werden. Tatsächlich erfolgt der Transport nach Karlsruhe, von wo aus sie per Bus nach Nürnberg gebracht wurden und dort um 18.30 Uhr ankamen. In der Buchungsbestätigung erfolgte jeweils bei Hin- und Rückflug eine Auflistung, unter der sich neben den Gepäckstücken und der Verpflegung auch der Eintrag „1xKleinkind(er)“ findet. In den Fluginformationen der Beklagten heißt es unter der Überschrift „Kinderermäßigung“: „Kleinkinder im Alter von 0 bis einschließlich 1 Jahr zahlen 15 EUR pro Flugstrecke“.

Die Beklagte hat argumentiert, dass für das Kleinkind, das im Zeitpunkt des Fluges noch kein Jahr alt war, kein Anspruch bestehe, da es keinen Flugpreis gezahlt habe. Bei den gezahlten 15 Euro handele es sich um eine Verwaltungsgebühr, aber keinen Flugpreis.

Nach Auffassung des Amtsgerichts Hannover steht der Klägerin aus abgetretenem Recht eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b), Art. 5 Abs. 1 Buchst. c in Höhe von 400 Euro zu, da das Kleinkind das Flugziel erst mehr als 3 Stunden später als gebucht erreichte.

Die Tatsache, dass es sich bei dem Zedenten um ein Kleinkind ohne Sitzplatzanspruch handelte, führt nicht zu einer anderen Einschätzung. Das Amtsgericht Hannover verweist auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes[1] wonach der Anspruch für Kleinkinder nur entfällt, wenn sie keinen Flugpreis entrichtet haben.

Nach Meinung des Amtsgerichts Hannover ist davon auszugehen, dass ein Flugpreis in Höhe von 15 Euro gezahlt wurde: Die Beklagte ist in ihrer Preisgestaltung frei und hat es in der Hand, auch für Kinder einen Flugpreis zu vereinbaren oder aber Kleinkinder kostenlos fliegen zu lassen und nur eine Verwaltungsgebühr für den Aufwand zu erheben. Sie muss dann aber auch klar erkennen lassen, um welche Variante es sich handeln soll.

Nach Auffassung des Amtsgerichts Hannover fehlt es hieran. Zwar mag die Buchungsbestätigung, wo es jeweils bei Hin- und Rückflug eine Auflistung gibt, unter der sich neben den Gepäckstücken und der Verpflegung auch der Eintrag „1xKleinkind(er)“ findet, dafür sprechen, dass es sich bei den gezahlten 15 € eher um eine Gebühr handelt. Andererseits sprechen die AGB der Beklagten dagegen. Hier findet sich die Information „Kleinkinder im Alter von 0 bis einschließlich 1 Jahr zahlen 15 EUR pro Flugstrecke“ nämlich unter der Überschrift „Kinderermäßigung“. Dies spricht aber ganz klar dafür, dass es sich um einen reduzierten Flugpreis und nicht um eine Verwaltungsgebühr handelt. Was sonst soll denn ermäßigt sein, stellt das Gericht als Frage auf, wenn nicht der Flugpreis? Zu einer Gebühr würde diese Formulierung nicht passen. Zugunsten der Passagiere ist gem. § 305 c Abs. 2 ZPO unter Berücksichtigung der Intention der Verordnung, die ein hohes Schutzniveau der Fluggäste beabsichtigt[2], damit von dieser Auslegung auszugehen. Die Beklagte hat es in der Hand, ihre Vereinbarungen bzw. Klauseln zukünftig klar und eindeutig zu fassen.

Amtsgericht Hannover, Urteil vom 4. Juni 2020 – 515 C 12585/19

  1. BVerfG, Urteil v. 17.03.2015 – X ZR 35/14[]
  2. vgl. Erwägungsgrund Nr. 1 zur Verordnung Nr. 261/2004 (EG) []