Gastronomie in Coronazeiten – oder: die Bundesnotbremse

Das Bundesverfassungsgericht arbeitet die Coronazeit auf – und hat jetzt eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen die in § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 IfSG in der Fassung des Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22. April 2021 (§ 28b IfSG a. F.) geregelte Untersagung der Öffnung von Gaststätten zur Eindämmung der Corona-Pandemie richtete.

Gastronomie in Coronazeiten – oder: die Bundesnotbremse

In Anknüpfung an seine Entscheidung vom 19.11.2021 zur „Bundesnotbremse“[1] hat das Bundesverfassungsgericht nun entschieden, dass auch die vorübergehende Beschränkung des Betriebs der Gaststätten auf die Auslieferung und den Außer-Haus-Verkauf von Speisen und Getränken als Maßnahme zur Pandemiebekämpfung verfassungsrechtlich gerechtfertigt war. Der Gesetzgeber hat den ihm zustehenden Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum auch insoweit nicht überschritten.

Die „Bundesnotbremse“

Am 23. April 2021 trat das Vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite in Kraft. Zentraler Gegenstand des Gesetzes war der in das Infektionsschutzgesetz eingefügte § 28b IfSG a. F., der bei Überschreiten eines Werts von 100 Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100.000 Einwohner an drei aufeinanderfolgenden Tagen in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt zu gesetzesunmittelbaren Beschränkungen des privaten und öffentlichen Lebens führte. Die Beschränkungen waren an die Feststellung einer „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ durch den Bundestag gebunden und liefen mit dem 30. Juni 2021 aus. § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 IfSG a. F. untersagte die Öffnung von Gaststätten, Speiselokalen und ähnlichen Betrieben bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen der „Bundesnotbremse“; erlaubt blieben nur die Auslieferung und der Außer-Haus-Verkauf von Speisen und Getränken (letzterer mit Ausnahme der Zeit von 22 bis 5 Uhr).

Die Verfassungsbeschwerde

Die Beschwerdeführerin betreibt in Berlin, wo die Regelungen zwischen dem 24. April und dem 18. Mai 2021 Wirkung entfalteten, ein Restaurant. Sie rügt insbesondere eine Verletzung ihres Grundrechts der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

§ 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 IfSG a. F. griff zwar in die Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin aus Art. 12 Abs. 1 GG ein, war jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt, insbesondere verhältnismäßig.

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits mit Beschluss vom 19. November 2021[1] im Hinblick auf die allgemeinen Kontaktbeschränkungen des § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG a. F. die Legitimität der Zwecke sowie die Eignung und Erforderlichkeit der Maßnahme festgestellt. Diese Einschätzung gilt auch für die hier angegriffene Beschränkung der Berufsfreiheit durch die Untersagung der Öffnung von Gaststätten. Der Schutz von Gesundheit und Leben ist ein legitimer Zweck, dessen Verfolgung selbst schwere Eingriffe in die Berufsfreiheit zu rechtfertigen vermag.

Die angegriffene Regelung war trotz ihres erheblichen Eingriffsgewichts auch angemessen.

Dem Eingriff in die Berufsfreiheit kommt zwar erhebliches Gewicht zu. Eine berufliche Betätigung in der von der Beschwerdeführerin gewählten Form war während der Geltung der Vorschrift nicht möglich. Verstärkt wurde die Eingriffswirkung dadurch, dass die Beschwerdeführerin ihren Betrieb bereits seit November 2020 unter ähnlichen Bedingungen geschlossen halten musste. Gemindert wurde das Eingriffsgewicht jedoch durch den tatbestandlich vorgesehenen regional differenzierenden Ansatz und die Befristung der Maßnahme. Eine gewisse Minderung des Eingriffsgewichts wurde zudem dadurch bewirkt, dass der Außer-Haus-Verkauf außerhalb der Nachtstunden und die Auslieferung von Speisen und Getränken von der Schließungsanordnung nicht erfasst waren. Schließlich wurde das Eingriffsgewicht auch durch die für die betroffenen Betriebe vorgesehenen staatlichen Hilfsprogramme gemindert.

Dem gewichtigen Eingriff in die Berufsfreiheit ist jedoch gegenüberzustellen, dass angesichts der Dynamik des Infektionsgeschehens im April 2021 eine besondere Dringlichkeit bestand, zum Schutz der überragend bedeutsamen Rechtsgüter Leben und Gesundheit sowie der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems tätig zu werden. Dabei ist der grundsätzliche Ansatz, den Schutz dieser Gemeinwohlbelange primär durch Maßnahmen der Kontaktbeschränkung an Kontaktorten zu erreichen – wozu auch die Schließung von Gaststätten zu zählen ist – verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

In der geforderten Abwägung zwischen dem Eingriff in Grundrechte und entgegenstehenden Belangen hat der Gesetzgeber einen verfassungsgemäßen Ausgleich gefunden.

Hier ist der Wirtschaftszweig der Gastronomie insgesamt stark belastet worden. Doch sorgten die Vorschrift und die sie begleitenden staatlichen Hilfsprogramme für einen hinreichenden Ausgleich zwischen den verfolgten besonders bedeutsamen Gemeinwohlbelangen und den erheblichen Grundrechtsbeeinträchtigungen. Durch die Befristung und die am jeweiligen örtlichen Pandemiegeschehen ausgerichtete Differenzierung wurde die Belastung durch die angegriffene Regelung begrenzt und bewirkt, dass die Regelung faktisch in keinem Gebiet Deutschlands die Höchstdauer von zwei Monaten erreichte. Ein teilweiser Ausgleich der Belastungen wurde zudem durch die in der Regelung verankerte weiterhin bestehende Möglichkeit zum Außer-Haus-Verkauf und der Lieferung von Speisen und Getränken geschaffen. Darüber hinaus wurden die wirtschaftlichen Auswirkungen der angegriffenen Regelung durch die von der Bundesregierung aufgelegten Hilfsprogramme gedämpft.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23. März 2022 – 1 BvR 1295/21

  1. BVerfG, Beschluss vom 19.11.2021 – 1 BvR 781/21 u.a.[][]