Von der Buchung eines Veranstaltungssaales für eine Hochzeitsfeier kann aufgrund der Gesamtumstände im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie nach § 326 Abs. 5 BGB zurückgetreten werden ohne das dadurch eine Schadensersatzpflicht ausgelöst wird.

Mit Abschluss des Vertrages über die Anmietung des Veranstaltungssaales (hier:) für den 08.08.2020 haben sich die Parteien zur Bereitstellung der Räume für eine Feier mit bis zu 120 Personen und zur Entrichtung des Mietzinses verpflichtet. Die Vermieterin ist von ihrer Leistungspflicht allerdings nach § 275 Abs. 1 BGB frei geworden. Danach ist die Primärleistungspflicht des Schuldners ausgeschlossen, soweit die Leistung für ihn oder jedermann unmöglich ist.
Ob Unmöglichkeit vorliegt, ist anhand der in dem Vertrag festgelegten Parameter der Leistung zu beurteilen, insbesondere Leistungsumfang, Leistungsort und Leistungszeit. Dabei sind insbesondere die Frage, ob ein Fixgeschäft vorliegt und der konkrete Umfang der geschuldeten Leistung nötigenfalls durch Auslegung zu ermitteln. Zu berücksichtigen ist, dass § 275 Abs. 1 BGB einen Ausnahmetatbestand darstellt, der nur unter ganz besonderen Umständen zu einem vollständigen Entfallen der Primärleistungspflicht führt.
Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag handelt es sich um einen typengemischten Vertrag, der miet- und dienstvertragliche Elemente enthält. Die charakteristische Hauptleistung ist das Zurverfügungstellen des Saales auf Schloss S. für eine Feier in einer Größenordnung von bis zu 120 Personen am 08.08.2020. Dabei ist die in dem Vertrag angegebene Personenzahl bei Auslegung nach §§ 133, 157 BGB anhand des objektiven Empfängerhorizontes nicht etwa schlicht als „absolute Obergrenze“ zu verstehen, sondern Ausdruck des Anliegens des Brautpaares, tatsächlich Räume zur Verfügung gestellt zu bekommen, die eine Feier mit 120 Personen zulassen. Dementsprechend war die Vemieterin verpflichtet, dem Brautpaar eine Feier dieser Größenordnung auf Schloss S. zu ermöglichen. Diese Pflicht traf die Vemieterin auch konkret für den 08.08.2020, es handelte sich insofern um ein absolutes Fixgeschäft. Denn wie bei Hochzeitsfeiern zwar nicht zwingend, aber durchaus typisch, kam es dem den Saal buchenden Brautpaar darauf an, ihre Hochzeit an eben diesem und keinem anderen Datum zu feiern. Dies haben sie im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung auch für das Gericht noch einmal verdeutlicht und nachvollziehbar dargelegt, dass es ihnen auf diesen Termin deswegen ankam, weil es sich um den zweiten Jahrestag ihrer standesamtlichen Trauung handelte und die Hochzeitsfeier zugleich mit der Taufe ihrer Tochter verbunden werden sollte.
Der Vemieterin war es – wie auch jedermann sonst in Niedersachsen – jedoch rechtlich unmöglich, am 08.08.2020 eine Feier für bis zu 120 Personen umzusetzen. Denn aufgrund von § 1 Abs. 5 Nr. 1 der anlässlich der pandemischen Lage seinerzeit geltenden Niedersächsischen Corona-Verordnung waren Hochzeitsfeiern nur bis zu einer Teilnehmerzahl von 50 Personen zulässig.
Dass das Brautpaar „kleiner“ hätten feiern können, steht der Annahme der Unmöglichkeit nicht entgegen. Denn auch insoweit muss sich die Vemieterin an dem in dem Vertrag zum Ausdruck gekommenen Zweck der Anmietung für eine große Feier festhalten lassen. Eine über Monate im Voraus geplante Hochzeit im großen Familien- und Freundeskreis lässt sich angesichts der ganz besonderen, häufig einmalig bleibenden Bedeutung dieses Ereignisses für Brautpaar und Gäste nicht „mal eben“ auf ein zulässiges Maß herunterschrauben. Nahestehende Verwandte und Freunde können nicht einfach ausgeladen werden. Sie von der Teilnahme eines solchen Ereignisses auszuschließen, konnte vom Brautpaar schlechterdings nicht verlangt werden, ohne dass die Feier eine ganz andere und in dieser Form vom Brautpaar überhaupt nicht gewollte geworden wäre.
Das in den Vorschriften der Corona-Verordnung liegende Leistungshindernis war auch nicht nur vorübergehender Natur. Denn hiervon kann nur ausgegangen werden, wenn aus ex-ante-Sicht – hier also zum Zeitpunkt des Erlasses der Corona-Verordnung – mit einiger Sicherheit absehbar ist, wann die Erbringung der geschuldeten Leistung wieder möglich ist. Dass dies aber gerade nicht der Fall war, ist allgemein bekannt. Die ungewisse Entwicklung des Pandemieverlaufs ließ vielmehr eine weitere Verlängerung der Maßnahmen auf nicht absehbare Zeit erwarten. Dies hat sich – ohne dass es darauf im Ergebnis ankäme – ex post leider mehr als eindrücklich bestätigt. Auch heute noch kann niemand vorhersagen, wann in Deutschland und der Welt wieder ein „normales Leben“ wird stattfinden können.
Aber selbst wenn keine Unmöglichkeit i.S.d. § 275 Abs. 1 BGB vorgelegen hätte, wäre das Brautpaar bei Abwägung der vorstehend genannten Gesamtumstände aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage berechtigt gewesen, nach § 313 Abs. 3 S. 1 BGB von dem Vertrag zurückzutreten. Denn die Corona-Pandemie und die mit ihr einhergehenden Folgen sind bis heute in Art und Umfang einmalige Umstände, die nicht vorherzusehen waren und aufgrund derer die Parteien, hätten sie sie gleichwohl vorausgesehen, von dem Abschluss des Vertrages abgesehen hätten.
Dem Brautpaar war – auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass das Verwendungsrisiko ohne Hinzutreten besonderer Umstände beim Mieter liegt – weder zumutbar, am unveränderten Vertrag festzuhalten, noch sich auf eine Vertragsanpassung bspw. durch eine Verlegung des Hochzeitstermins einzulassen. Denn die Fortentwicklung der Pandemie und ihrer Auswirkungen war im Sommer 2020 genauso wenig abzusehen, wie sie es auch heute noch ist. Das zeigt sich anschaulich nicht zuletzt daran, dass viele Hochzeitsfeiern, Konzerte oder andere Veranstaltungen, die im vergangenen Jahr auf Frühjahr/Sommer 2021 verlegt worden sind, ein zweites Mal verlegt oder auch ganz abgesagt werden müssen. Bei dieser unsicheren Sachlage kann allerdings niemandem zugemutet werden, eine Feier mit einem derartigen Planungsaufwand auch für An-/Abreise der Familie aus dem In- und Ausland, Unterbringung, Catering, musikalische Begleitung etc. wieder und wieder verschieben zu müssen.
Landgericht Lüneburg, Urteil vom 10. Mai 2021 – 10 O 313/20